Nächste Woche führt die Swiss Volley Talent School ein Selektionstraining durch. Was genau passiert dabei?
Tom Schnegg: Wir versuchen mit Hilfe eines Expertenteams, die geeignetsten Kinder für die Talent School heraus zu finden. Hierfür gibt es diverse Tests (PISTE) von Swiss Volley und selbst entwickelte Verfahren. Die Kinder werden «ausgemessen» und in Sachen Schnelligkeit, Sprungkraft, Koordination und Ballgefühl getestet.
Welche Voraussetzungen müssen Anwärter mitbringen, damit sie an die Swiss Volley Talent School aufgenommen werden können?
Ein idealer Volleyballer ist 200 cm gross (bei den Frauen 185 cm), sehr flink, lernfähig und aussergewöhnlich motiviert. Die sind aber sehr selten. Wir suchen bei der Selektion nach Fähigkeiten und nicht nach Mankos. Klar ist, dass im Volleyball eine aussergewöhnliche Körpergrösse von Vorteil ist. Wer nicht besonders gross ist, wird dies mit überdurchschnittlicher Koordinationsfähigkeit und hohem Engagement ausgleichen müssen.
Wer entscheidet, welche Talente aufgenommen werden?
Matevz Kamnik hat die sportliche Gesamtleitung. Ihm obliegt der Entscheid, wobei er beim Selektionstraining aber auch von seinen Assistenten und weiteren Fachkräften unterstützt wird. Es ist also ein Fünfer-Team mit viel Erfahrung.
Woher kommen die jungen Talente, die sich vorstellen?
Meistens ist rund die Hälfte aus dem Grossraum Amriswil, die anderen Kids kommen aus dem Thurgau oder den Kantonen St. Gallen, Appenzell, Schaffhausen und Zürich. In ihren Anfängen hatte die Volleyballschule damit zu kämpfen, dass abgebende Schulgemeinden kaum Hand boten.
Hat sich das mittlerweile geändert?
Ja, das war zu Beginn ein Problem. Es hat sich gebessert und ist kantonsintern geregelt. Probleme kann es vor allem mit ausserkantonalen Schülern geben. Die Kantone haben unterschiedliche Regelungen. Für die Knaben gibt es ja die Möglichkeit, über Lindaren Volley Amriswil in den Spitzensport einzusteigen.
Amriswil hat aber keine gleichwertige Damenmannschaft. Kommen die Mädchen dabei zu kurz?
Lindaren Volley Amriswil hat sich klar auch zum Damenvolleyball bekannt und wird dort sicher noch Fortschritte machen. Die besten jungen Frauen werden aber immer weiterziehen und wir freuen uns über jede Talent-School-Schülerin, die den Sprung in ein NLA-Team schafft. Ein Nachteil für die Girls also, dass sie irgendwann weiterziehen «müssen», aber wenn die Mädchen wirklich gut sind, findet sich immer ein Platz in einem Spitzenclub. Lindaren Volley Amriswil strebt den Aufstieg in die 1. Liga an. Die neusten Vorzeichen sind positiv. Für die auswärtigen Schülerinnen und Schüler wird ja unter anderem auch ein Mittagstisch angeboten.
Wie funktioniert das?
Einmal pro Woche dürfen wir als Team im APZ gemeinsam essen. Dieser Lunch ist für die Schüler kostenlos. Das ist sehr wertvoll und auch der Moment, in dem man mal Zeit für einen Schwatz ausserhalb des Volleyballsports hat. Die auswärtigen Schülerinnen und Schüler essen teilweise bei befreundeten Amriswiler Schulkollegen oder wärmen Feines aus Mamis Küche in der Mikrowelle im Schulhaus Egelmoos auf. Wir sind sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit der VSG Amriswil-Hefenhofen-Sommeri und dem Team aus dem Schulhaus Egelmoos. Unsere Sportler haben dort ideale Voraussetzungen fürs Lernen und eben auch diesen Pausenraum zum Essen. Der sportliche Erfolg ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Swiss Volley Talent School zeigt, dass das Konzept zumindest vom Sport her aufgeht.
Wie steht es mit schulischen Erfolgen?
Sportlich sind wir in der Tat sehr zufrieden, obwohl natürlich der Übertritt in unser NLA-Team extrem anspruchsvoll ist. Einige ehemalige Talent-School-Schüler waren bei uns Ergänzungsspieler und schafften dann erst in anderen Clubs den Sprung in die NLA-Stammformation. Dies hängt mit den sehr hohen Zielen von Lindaren Volley Amriswil zusammen. Die Erfahrung zeigt, dass wir trotz der Mehrbelastung eine überdurchschnittlich hohe Kanti-Abgänger-Quote haben und unsere Volleyballschüler auch im Bewerbungsprozess bei Lehrstellen mehrheitlich gut ankommen.
Hat sich das ursprüngliche Konzept bewährt oder wird es immer wieder verändert und angepasst?
Das ursprüngliche Konzept hat sich bewährt, aber wir «schrüblen» immer mal wieder ein wenig dran. So wurden etwa die Förderstrukturen von Swiss Volley per Sommer 2020 überarbeitet, was auch wieder einen gewissen Einfluss auf uns hat. Ich würde meinen, dass wir nach 15 Jahren noch immer in dieselbe Richtung fahren, aber eben zwischendurch auch mal eine Abkürzung nehmen oder sogar mal ein Umweg in Kauf genommen wird. Mit unserem Trainerteam und dem starken Verein im Rücken sind wir aber extrem gut aufgestellt und können auf Veränderungen gut reagieren.
Wo sind die Knackpunkte?
Hauptknackpunkt ist der, wo wir die Hürde für den Eintritt machen sollen. In einem Mannschaftssport braucht es auch eine Nummer sieben, acht oder zehn, damit die Nummer eins gross rauskommt. Ein gewisses Niveau darf aber nicht unterschritten werden. Wir sind den Kids eine seriöse Selektion schuldig. Sie werden 15 Stunden pro Woche in der Halle verbringen. Wenn zu wenig Potenzial vorhanden ist, wäre es nicht fair, wenn wir sie da träumen lassen.
In den letzten Jahren hat sich der Trend zum Beachvolleyball verstärkt. Wie geht die Volleyballschule damit um?
Klar freuen wir uns am meistens über die, welche erfolgreich in unserer NLA landen. Nicht weniger stolz sind wir aber auf Spielerinnen und Spieler, die eine gute Beachvolleyball-Karriere machen. Wir wollen motivierten und talentierten jungen Menschen die Möglichkeit geben, ihr Hobby auf bestmöglichem Niveau zu pflegen und den Traum von der Sportkarriere möglichst lange zu träumen.
Wie viele Plätze können durch das Selektionstraining belegt werden?
Wir haben keine fixe Platzzahl. Wir nehmen auf, wer die Aufnahmekriterien erfüllt und dann planen wir den Rest. Mal sind es bloss fünf, mal sind es zwölf Athletinnen und Athleten.
Können sich Interessierte kurzfristig anmelden?
Frühzeitige Anmeldung vereinfacht uns die Vorbereitung, aber wir mögen auch Herausforderungen. Wir werden auch damit klarkommen, wenn jemand unangemeldet in der Halle steht.
Quelle: Thurgauer Zeitung vom 9.1.2020
Autor. Rita Cohn
Bild: Georg Stelzner
Fotos: Berni Hartmann